„Unsere Firma bestand aus einem Faxgerät und einem Telefon im Keller“

In diesem Jahr feiert Reiseservice Henser sein 25-jähriges Jubiläum. Im Gespräch blickt Geschäftsführer Dirk Henser (64) auf die Anfänge der Firma zurück, erzählt von der wichtigsten Stütze und der größten Krise. Alles begann mit Spaziergängen in der Mittagspause.

Lieber Dirk, wie kamst du vor 25 Jahren auf die Idee, eine Firma zu gründen, die Ferienhäuser an Gruppen vermittelt?

Es fing an mit einem Haus in Finnland. Das Haus Vanamola kannte ich bereits aus meiner Arbeit als Gemeindepädagoge und war mit dem Hausbesitzer Ami gut befreundet. Als ein anderer Reiseveranstalter Ende der Neunziger in Konkurs ging, wollte Ami aufhören und sein Haus nicht länger an Jugendgruppen vermieten. Ich konnte ihn dazu überreden, weiterzumachen, wenn ich ihm mindestens vier Gruppen für den folgenden Sommer besorgen würde. Also habe ich diverse Kollegen aus der Jugendarbeit kontaktiert und so die vier Gruppen zusammenbekommen – die Reisen konnten stattfinden. Das war die Initialzündung. Da habe ich gemerkt, dass es einen Bedarf, nämlich die Suche nach tollen Ferienzielen für Gruppen, in der Branche gibt. Von da an bin ich mit meiner Frau Susanne in jeder Mittagspause über die Felder in Versmold spaziert und wir haben gemeinsam überlegt, wie wir unsere Kontakte zu Hausbesitzern in Skandinavien mit meinem beruflichen Netzwerk aus der Jugendarbeit zusammenbringen könnte.

Wie sah die Firma zu Beginn aus?

Am Anfang bestand unsere Firma aus einem Faxgerät und einem Telefon im Keller unseres Wohnhauses, von dort aus haben wir die ersten Reisen vermittelt. Wir, das waren lediglich Susanne und ich, später unsere Praktikantin Irina. Eine aufregende Zeit. Ich erinnere mich noch, dass wir zu jeder Tages- und Nachtzeit in den Keller gesprintet sind, sobald das Faxgerät piepte, um zu gucken, ob eine Buchung eingegangen war. 1999 haben wir unseren ersten Katalog mit damals 30 Häusern auf 24 Seiten entwickelt. 2003 haben wir dann eine GmbH gegründet und sind ein Jahr später aus dem Keller in unser 40 Quadratmeter großes Gartenhaus gezogen. Das war auch der Zeitpunkt, als ich meine Stelle als Jugendwart bei der Kirchengemeinde gekündigt habe und voll in die Selbstständigkeit gegangen bin. Im Laufe der Jahre kamen dann immer mehr Hauspartner, Kunden und Mitarbeitende dazu. Wir sind gewachsen. Die Praktikantin von damals arbeitet übrigens heute noch bei uns – inzwischen als ausgebildete Kauffrau.

Was macht Reiseservice Henser besonders?

Für uns gilt seit Stunde null der Grundsatz: Wir verkaufen nichts, was wir nicht selbst gesehen und für gut befunden haben. 80 Prozent unserer Hauspartner besuchen wir jährlich vor Ort. Dieser Anspruch bedeutet für uns als Firma einen hohen finanziellen und organisatorischen Aufwand, ist die Mühe aber wert. Unsere Kunden können uns alles zu den Reisezielen fragen, wir kennen nahezu jedes Detail. Unseren Hauspartnern nehmen wir im Gegenzug viel Kommunikationsarbeit ab. Dieser enge, persönliche Kontakt in beide Richtungen sichert unsere Qualität. Und noch dazu sind wir gute Krisenmanager. Wenn 50 Leuten abends um 22 Uhr plötzlich irgendwo in Nord-Dänemark stranden, weil eine Fähre ausfällt, können wir damit umgehen und kriegen es irgendwie hin, dass die Gruppe doch noch an ihr Ziel kommt.

Wer oder was war wichtig für den Erfolg von Reiseservice Henser?

Das ist mit großem Abstand meine Frau Susanne. Sie hatte und hat bis heute enorm viel Energie und Lust, die Idee mit mir gemeinsam umzusetzen. Ein Hauspartner sagte mal zu mir: „Du weißt doch Dirk: Suse ist der Motor bei euch“ – und das stimmt. Von ihr kam beispielsweise der Impuls, neben dem Jugendbereich auch Häuser für Handicap-Reisen mit anzubieten. Susanne kennt sich in den Niederlanden gut aus, ihr fiel dort direkt die Barrierefreiheit auf, die in holländischen Freizeithäusern schon viel früher mitgedacht wurde als in Deutschland. Diesen Bereich für Menschen mit Behinderung so auszubauen, wie er heute Teil unseres Geschäftsmodells ist, wäre niemals meine Initiative gewesen. Die Kombination aus meiner Erfahrung, Susannes Sachlichkeit und unserer gemeinsamen Motivation war mit entscheidend für den Erfolg unserer Firma, denke ich.

Was waren die größten Herausforderungen in den letzten 25 Jahren?

Am Anfang habe ich manchmal jeden beneidet, der sich in seinem Job nicht mit Steuerrecht auseinandersetzen muss. Herauszufinden, wie man als Greenhorn in der Branche eigentlich reisesteuerlich behandelt wird, war gar nicht so leicht. Da hilft es auch nicht, das Thema an einen Steuerberater zu geben. Durchdringen und verstehen musste ich das schon selbst, schließlich steht meine Unterschrift am Ende unter Verträgen und Co. Tja, und die mit Abstand größte Krise brach dann 2020 über uns hinein. Corona hat unsere Arbeit komplett verändert, denn schnell war klar: Reisen generell ist während einer Pandemie schlecht und Gruppenreisen sind sogar doppelt-schlecht. Damit wurde unser Kerngeschäft quasi über Nacht lahmgelegt. Mehr als 80 Prozent der über uns gebuchten Reisen wurden 2020 storniert. Ich erinnere mich noch an den Tag, als wir unsere Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken mussten. Kein schönes Gefühl als Chef.

Wie habt ihr die Krise überstanden?

Ein großes Glück war, dass unser Sohn Jonas zu dem Zeitpunkt schon Teil unserer Geschäftsführung war. Wir waren also zu dritt und haben gemeinsam die Entscheidung getroffen, dass wir uns der Situation stellen, sie bei den Hörnern packen und das tun, was wir am besten können: Qualität liefern. Fortan haben wir uns jede Woche aufs Neue in die sich permanent ändernden Reisebestimmungen sowohl der einzelnen Bundesländer als auch der Partnerländer gearbeitet. So konnten wir unsere Kunden sicher und zuverlässig durch den Schutzmaßnahmen-Dschungel für Gruppenreisen navigieren. Zudem sind wir jederzeit offen und fair mit unseren Hauspartnern umgegangen, sodass uns nahezu alle erhalten geblieben sind. Überbrückungshilfen und Kurzarbeit waren zusätzlich Instrumente vom Staat, die uns durch die Krise geholfen haben.

Was wünschst du dir für die Zukunft?

Innerhalb der nächsten drei Jahre werde ich irgendwann in den Ruhestand gehen. Ich persönlich freue mich darauf, dann nicht mehr täglich so viele Entscheidungen treffen zu müssen. Wobei mir das vielleicht auch nach kurzer Zeit schon wieder fehlen wird. Außerdem kann ich dann regelmäßiger Zeit mit unseren sechs Enkelkindern verbringen und vielleicht das eine oder andere eingeschlafene Hobby wieder aufnehmen. Für die Firma wünsche ich mir, dass wir weiterhin mit guter Qualität am Markt bleiben und bewusst nicht die Massen beliefern.

Ich glaube daran, dass wir mit unseren internationalen Kontakten, die wir im weitesten Sinne für die Jugendarbeit pflegen, auch ein gutes Stück Friedensarbeit leisten. Und nicht zuletzt wünsche ich Jonas, dass er die Lust behält, die Firma weiterhin mit Spaß und Freude zu führen. Denn das Leben als Selbstständiger erfordert Mut, ist aber auch wirklich schön.

Was würdest du dem 40-jährigen Dirk, der damals die Firma gegründet hat, heute sagen?

Hättest dich ruhig schon früher trauen können.

Das Gespräch führte Merle Steiger

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